Sonntag, 5. Juni 2011

Zum sogenannten Ritenstreit

Es wurde in den letzten Tagen viel geschrieben zum sogenannten Ritenstreit. Grund genug, mal meinen bescheidenen Senf dazuzugeben.
Ich bin mit der „neuen Messe“ groß geworden.Ich kann daran nichts Illegitimes, Kryptoprotestantisches oder Häretisches finden, es ist die Form in der für mich seitdem ich denken kann, die Messe nun einmal gefeiert wird. Man liest viel von liturgischen Missbräuchen, Unwürdigkeit oder mangelnder Feierlichkeit. Aber mir persönlich sind krasse Mißstände bisher noch nicht untergekommen. Zwar stört mich die Banalität manches neuen Kirchenliedes, bin ich manchmal genervt, wenn die Predigt mir politisch zu tenziös ist, und ganz sicher bin ich kein Fan von Rumgeklampfe und Händeschüttelorgien zum Friedensgruß. Aber diese Lieder sind nun mal offiziell abgesegnet, dürfen also verwendet werden. Und ich, demokratisch sozialisiert, kann ganz gut leben damit, dass der Priester seine exponierte Position nutzt, um seine persönliche, politische Weltanschauung an den Mann zu bringen, auch wenn mir mehr an professioneller Schriftauslegung gelegen wäre- wofür bezahlt man schließlich Experten. Auch das Rumgeklampfe wird dadurch erträglich, dass es in wenigstens gut gemacht ist; außerdem muss ich fairer Weise davon ausgehen, dass die Darbietenden es nicht zu ihrer eigenen musikalischen Selbstverwirklichung tun, sondern zu Ehren Gottes einen beträchtlichen Teil ihrer Freizeit investieren. Und ob's mir gefällt oder nicht: Die Leute lieben den Friedensgruß mit Handshakes quer durchs Kirchenschiff.
Trotzdem fahre ich, wann immer Zeit und Geld dies zulassen zum Choralhochamt im alten Ritus. Dabei spielt zunächst eine Rolle, dass dieser für mich etwas spannendes und neues darstellt: die sich allen modernen Hörgewohnheiten versperrenden uralten diatonischen Gesänge, die mit dem spirituellen Wissen von Jahrtausenden aufgeladenen rituellen Handlungen und nicht zuletzt die fremde Liturgiesprache schaffen eine Atmosphäre, in der es mir wesentlich häufiger gelingt, den Alltag abzuschütteln, weil eben all das was hier geschieht von meinen Alltagserfahrungen so weit entfernt ist. Und so, vom „Toben der Welt“ eine Ewigkeit weit entfernt wird an guten Tagen die Präsenz Gottes, des ganz Anderen, intensiver zu spüren.
Ein weiterer Punkt, der mir am „alten Usus“ sehr gut gefällt, mag überraschen: ich bin nun einmal in modernen, demokratischen und individualistischen Zeiten aufgewachsener Mensch. Und als solcher finde ich im alten Ritus viel mehr Raum für meine eigene, individuelle Spiritualtät. Weil ich eben nicht ständig zum Mitsingen, Händeschütteln und Zuhören genötigt werde. Der Priester wird- mit einer gefühlten Tonne Brokat und Spitzen behängt, zum Flüstern „verdammt“ und in jeder Geste an Rubriken gebunden- aus meiner Perspektive zur lebenden Ikonostase reduziert. Es geht nur noch um Gott und seine Nähe zu mir, die wirkliche, physische Gemeinschaft mit ihm in der Eucharistie. Und was nicht zu vernachlässigen ist: die tatsächliche, sakramentale Gemeinschaft mit allen Anwesenden, mit allen Christen die je gelebt haben und noch geboren werden- eine Gemeinschaft die nicht durch gemeinsames Singen und freundliches Lächeln beim Händeschütteln erzeugt wird.
Natürlich geht es darum auch in der „neuen“ Messe. Aber für mich persönlich wird’s in der „alten“ halt spürbarer. Da mag es vielen anders gehen, und ich freue mich für sie, dass sie für ihre Spiritualität in der neueren Form desselben römischen Ritus einen schönen und würdigen Ort haben. Zwei Formen desselben Ritus- wir sollten dem Heiligen Geist dankbar sein, dass er seine Kirche mal wieder so reich beschenkt, anstatt uns verdammt noch mal ständig gegenseitig zu beharken.

4 Kommentare:

  1. Danke! Es gibt hier in "Schlagweite" regelmäßige Hochämter in Frankfurt, Limburg und Mainz. Ist aber wie gesagt immer mit längeren Auto/Zugfahrten verbunden und kostet dementsprechend.

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  2. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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