Zugegeben: ich mochte ihn nie, den Herrn Wulff. Aber was sich in den letzten Wochen abgespielt hat, lässt mich ein wenig zerknirscht zurück. Denn auch ich muss bekennen, ich bin ein moralisch minderwertiger Mensch, nicht würdig meine durch und durch anständigen Mitbürger vor dem unerbittlichen, gerechten Zorn der selbst ernannten 4. Gewalt zu vertreten. Ich gebe es zu:
Wenn man mir anbieten würde, doch bitte vorne in der 1. Klasse Platz zu nehmen, dann würde ich zur Stewardess sagen: " Vielen Dank, hier, bitte nehmen Sie meine Thrombosestrümpfe". Wenn ich als Vertreter eines großen Anteilseigners im Aufsichtsrat von VW säße, würde ich den Mitarbeiterrabatt beim Neuwagenkauf gerne mitnehmen- zu welcher Neutralität wäre ich denn in dieser Position verpflichtet. Als Ministerpräsident eines unattraktiven, platten Bundesland wäre ich bemüht, dessen Wirtschaft zum Florieren zu bringen und dafür gute Kontakte zur Wirtschaft zu pflegen- gerne auch in irgendwelchen Wochenendhäuschen, auf Kosten von anderen, so läuft doch's Business. Wenn man meinem Sohn ein Bobbycar schenken würde, dann würde ich brav Danke sagen, weil mein Junge sich drüber gefreut hat. Vielleicht würde ich den Schenker sogar zu meinem Sommerfest einladen, er könnte sich da unauffällig unter meine Verwandten mischen, von denen ich auch ein paar einladen würde. Wenn ich einen Kumpel hätte, der mir mal eben Kohle für ein neues Haus leiht, würde ich nicht zur Bank rennen etc.etc
Während ich dies schreibe, läuft im Hintergrund der Kommentar zum Rücktritt im DLF. Der Kommentator klopft sich und seinen Kollegen anerkennend auf die Schulter. Man nur habe versucht der Wahrheit nach zu gehen, auch wenn sich Wulffs Unschuld erweisen sollte(!). Denn gute Journalisten müssten richten. Natürlich fällt auch die Lieblingsvokabel des Wutbürgers und seiner journalistischen Sachwalter: "unerträglich". Wulff habe Johannes zitiert " Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein". Dem könne er mit Matthäus erwidern" Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler". Endlich kann ich einem Journalisten in dieser Sache einmal beipflichten: Wehe Euch Heuchlern!
Reichenau: SS. Peter und Paul Niederzell
vor 3 Wochen